Wut als Ausdruck unserer Achtung
Wut als Ausdruck unserer Achtung…
Du bist im Konflikt mit jemandem, wo es vielleicht um die Erledigung einer Kleinigkeit im Haushalt geht oder eine Unterstützung gewünscht ist und die Person zieht sich zurück und sagt: jetzt nicht.
P A U S E – I R R I T A T I O N.
Ich begann, es selbst zu erledigen und bemerkte, wie die Wut in mir aufstieg, dass sich der andere rausnimmt und ich es ‚wieder einmal‘ (als Bewertung meines Verstandes) selbst erledige. Und ich fühlte mich stehen gelassen und es war eine Grenze erreicht, ganz klar. Doch wie bringe ich sie zum Ausdruck? Wie bringe ich sie verträglich zum Ausdruck, ohne mich oder andere dabei zu verletzen???
Und vielleicht kennst du das auch, dass du dich einfach mal stehen gelassen gefühlt hast? Du interpretierst, dass jemand dein Anliegen nicht wichtig findet und verbindest damit, dass du nicht wichtig bist.
Aber ist das wirklich wahr? Oder ist es der Schmerz vergangener Zeiten, möglicherweise auch der Anbeginn, wo du dich als Kind mal nicht gesehen oder gehört gefühlt hast? Von deinen Eltern, von den Lehrern oder Mitschülern,…?
Was wäre, wenn wir das gefühlte ‚stehen lassen‘ ein Leben lang falsch interpretiert haben? Vielleicht ging es gar nicht um dich, sondern die Eltern waren gerade mit sich beschäftigt, der Lehrer war nicht aufmerksam und hat dich vielleicht gar nicht gehört oder deine Mitschüler waren beschämt, weil sie dich inhaltlich nicht verstanden haben.
Das, was wir oftmals machen, ist interpretieren. Wir versuchen die Situation schlagartig zu bewerten, um uns dadurch eine Orientierung zu geben, um uns vermeintlich sicher zu fühlen, um nachfolgende Interpretationen – vielleicht auch zum Selbstschutz – zu kreieren, damit unser Verstand versteht… oder er sich besser fühlt?
Und hier dürfen wir genauer hinschauen. Der andere hat mit dem ’stehen lassen’ möglicherweise eine alte Wunde in mir berührt und die Intensität dieser aufkommenden Wut gehört eigentlich gar nicht zu diesem Ereignis, sie gehört in eine ganz andere Zeit. Aber kann der andere das verstehen? Nein. Mein Gegenüber geht in Schutz oder Abwehr, weil er gar nicht verstehen kann, was es mit ihm zu tun hat oder vielleicht zu einem kleinen Teil. Er fragt sich, wieso bist du denn so wütend, es war doch nur eine Kleinigkeit. Oder als Antwort übernimmt er die Ver-antwort-ung, fühlt sich selbst schuldig Vielleicht eine nächste Wunde, die wir bei dem anderen berührt haben?
Man kann schon sehen, dass das ein ganz schönes Kuddelmuddel wird und kein Wunder, wenn hieraus ein handfester Streit entsteht, wo am Ende niemand mehr genau weiß, worum es eigentlich geht, weil wir nur noch in Schutz und Abwehr re-agieren.
Aber bleiben wir mal bei der Wut. Wenn wir erst einmal sagen, ich bin okay mit meiner Wut. Diese wirken lassen und die Energie, die damit verbunden ist, spüren.
Denn ist es nicht häufig so, dass wir es nicht gelernt haben, Grenzen klar zu setzen. Und übergehen wir uns dann nicht ständig selbst? Und das macht natürlich mit der Zeit total wütend – schleichend, untergründig baut sie sich auf. Oftmals suchen wir den Schuldigen im Außen (wenn wir von Schuld überhaupt sprechen mögen) und sehen vielleicht gar nicht, dass wir auch einen Anteil daran haben. Oder manchmal sehen wir es doch – unbewusst – wenn wir uns aus der Wut, die sich eigentlich gegen uns selbst richtet, selbstverletzendes Verhalten zeigen: Wir verweigern das Essen bzw. uns ist der Hunger vergangen. Wir hauen auf den Tisch, so dass es uns sogar selbst weh tut, Vielleicht treten wir auch gegen einen Gegenstand, der dann umfällt und uns der Fuß schmerzt? Oder wir hauen das Geschirr auf dem Boden, weil wir nicht mehr weiter wissen… ?
Und all das ist vielleicht nur Ausdruck mangelnder Erfahrung im Umgang mit unserer Wut, weil diese angstbesetzt und zerstörerisch wirkt. Vielleicht haben wir nie gelernt, dass diese Wut-Energie einfach nur klar ist, weil unser Außen es als zerstörerisch bewertet hat, weil diese Person möglicherweise selbst mit der Wut keinen guten Umgang gelernt hat?
Vielleicht probierst du es einfach mal aus, wie es sich anfühlt, in der Wut ganz bewusst einen Teller auf dem Boden zu schmeißen. Wahrzunehmen, was die Wut mit dir macht, wenn diese in einer nicht den anderen verletzenden Form so ihren Ausdruck finden darf.
Wir stecken oftmals so voller Bewertungen und die Wut wird auch von unserer Sozialisation her gerade hier in Deutschland relativ zugedeckt, sodass wir uns eigentlich in den seltensten Fällen mit unserer Wut zeigen mögen. Vielleicht auch, weil noch so viel Ohnmacht aus den Weltkriegen darin steckt und vergangene Generationen und auch wir diese noch gar nicht auflösen konnten. So stehen wir machtlos dieser Energie gegenüber, die uns im Inneren völlig überfordert. Und Überforderung führt meist dazu, dass der innere Druck steigt und wir nicht mehr handlungsfähig sind, da wir uns zumeist auf unser inneres verlassen, uns aber in diesen Momenten gar nicht mehr spüren können.
Einen guten Umgang mit unserer Wut zu finden, hierzu möchte ich einladen.
Mehr und mehr zu erkennen, was dahinter steht und das, was an Lebenskraft in dieser Wut sich ausdrücken möchte, nicht mehr ins Außen zu geben, sondern diese Kraft für uns – im inneren – wirken zu lassen. Die Wut-Energie macht klar und bringt es in kürzester Zeit auf den Punkt. Hier gibt es keine abschweifenden Erklärungen, sondern es kommt das heraus, worum es gerade geht. Eine Grenze ziehen.
Und unsere Wut ist nicht gegen den anderen gerichtet, sondern ist FÜR uns. Das gilt es auch zu verstehen.
Die Wutkraft ist für uns und nicht gegen die anderen gerichtet. Die Kraft in uns, klar und deutlich zu sagen, wann STOPP ist. Es geht darum, diese Kraft zu erkennen, die nur das Gute für uns möchte. Sie möchte einfach nur eine Grenze setzen, wo uns etwas zu viel wird. Diese Energie nicht einfach raus zu schleudern und gegen den anderen zu richten als Schutz – und Verteidigungsfunktion ist wichtig zu erkennen.
Die Wut – unsere Wut ist für uns da!
Sie setzt sich für uns ein und macht unserenStandpunkt klar. Und natürlich ist es schwierig, wenn wir es verlernt oder vielleicht auch nie gelernt haben, mit unserer Wut einen guten Umgang zu finden. Wir sind vielleicht selbst von dieser Energie in uns völlig überfordert, gar erschrocken und finden hierfür noch nicht einmal Worte. Und aus meiner Sicht ist dies ein häufiges Phänomen, warum wir uns dann auch nicht trauen, uns näher mit unserer Wut – unserer Lebenskraft – zu verbinden. Die Wut versetzt uns in Angst und Schrecken und lässt in unserem Verstand Bewertungen entstehen, die diese Kraft als Böses Monster darstellt. Das liebe Kind, was wir doch am liebsten immer wären, damit alles in Harmonie, Frieden und Ruhe verläuft (dies oftmals schon stark verinnerlicht in der Kindheit) ist eine Gewohnheit, Und vielleicht sogar auch ein Schutz, weil wir Angst vor Verlust, Trennung oder Beziehungsende dahinter vermuten. Aber ist das wirklich wahr?
Ehrlich gesagt zeigt uns die Natur etwas anderes. Zieht sich ein Gewitter zusammen, die Wolken werden dunkler, es wird windiger bis stürmisch und irgendwann gibt es das große Donnerwetter und hier findet diese Energie durch den Blitz ihren Ausdruck. Und wenn wir uns erinnern, wie es nach einem kräftigen Gewitter ist, dann nehmen wir oftmals wieder Sonnenschein, blauen Himmel und klare Luft im Anschluss wahr. Es hat sich etwas gereinigt, geklärt hierdurch. Es war sicher einige Augenblicke unangenehm und vielleicht auch zum fürchten, aber danach herrscht – Stille.
Und hierzu möchte ich ermuntern, sich mit der eigenen Wut auszuprobieren und sich vor allem nicht zu verurteilen. Denn das ist eigentlich das, was wir fast alle tun: uns für dieses Gewitter in uns zu entschuldigen. Aber nein! Genau hierum geht es! Wieder Achtung zu bekommen für uns selbst, denn das ist auch die Botschaft der Wut. Mich nicht zu übergehen, Achtung vor meinen Bedürfnissen zu haben und diesen Ausdruck in der Wut wieder zu entdecken – wie natürlich.
Und dieses Beispiel kennen sicher viele: Die Kinder spielen und plappern und sind laut und eine Kindergärtnerin sagt mit sanfter zaghafter Stimme: Ach Kinder, seid doch bitte leise, das ist viel zu laut… Und bei der Kollegin kommt vielleicht das (innere) Gewitter durch und sie sagt: Jetzt ist aber mal Schluss hier zum Donnerwetter nicht noch mal… Und es wird ruhig und klar und alle kommen wieder mehr bei sich an… Stille.
Bekanntschaft mit der Wut, die sich klar und deutlich manchmal als Donner für uns einsetzt und danach sich der blaue Himmel und Sonnenschein wieder zeigen… was für eine Erfahrung. Da ist nichts schlimmes daran und nichts verkehrt, das ist einfach nur ein natürlicher Umgang…
In diesem Sinne einen wundervollen wuterforschenden Tag und
Marion
PS: und wenn du noch weiterlesen magst, ist hier ein weiterer Artikel in meinem Blog zu finden – Verleihe deiner Wut Ausdruck – Viel Spaß beim erforschen…
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