Unerfüllte Bedürfnisse und Innere Kindarbeit
Innere Kindarbeit – was passiert, wenn Bedürfnisse unerfüllt bleiben?
Kannst du deine Bedürfnisse in dir wahrnehmen, kannst du sie spüren oder gar ausdrücken und vielleicht sogar erfüllen? Dann kannst du dich glücklich schätzen – fühlst dich womöglich zufrieden oder gar genährt?
Viele Menschen fühlen sich und ihre Bedürfnisse gar nicht und erfüllt werden diese somit auch nicht. Oft liegt diese fehlende Verbundenheit bereits im frühkindlichen Sein und unseren gemachten Erfahrungen. Dabei ist der Wunsch nach Nähe, Ansprache, Anerkennung, Gesehen werden, Liebe, Geborgenheit, Halt, Wärme und Berührung ein Grundbedürfnis und ist ganz essentiell für unser weiteres Leben, unsere Gesundheit und wie wir da sind in dieser Welt.
Sind wir nicht in der Lage, unsere Bedürfnisse zu erkennen und ihnen Ausdruck zu verleihen, wird es kaum möglich, klare Grenzen zu setzen und sich zu zeigen. Nur im Kontakt mit uns selbst und dem, was ich brauche, kann ich Grenzen setzen lernen. Diese Grenzen wiederum benötigen wir, um gut und achtsam mit uns zu sein und dieses auch im Außen zu artikulieren.
Bleiben Bedürfnisse unerfüllt, dann sind wir im Gefühl des Mangels und es folgt Unzufriedenheit. Das Gefühl, es ist / gibt nicht genug tritt in den Vordergrund. Oft fühlen wir uns abgeschnitten, nehmen nicht richtig am Leben teil und versuchen durch Süchte zu kompensieren. Wir funktionieren eigentlich nur noch und sind innerlich erstarrt.
Dieser Mangel – meist aus der Kindheit – möchte wahrgenommen, gefühlt und in Kontakt mit dem Erwachsenen gebracht werden. Dies ist jedoch oftmals gar nicht so einfach: denn meistens ist es uns erstmal gar nicht bewusst. Wenn es uns bewusst wird, dann haben wir oftmals so ‚gar keine Lust darauf‘ oder eine so große (oft unbewusste) Angst, dass wir lieber unser ganzes Leben davor weglaufen möchten. Durch Kontakt mit unserem alten Schmerz können wir allerdings wieder frei werden von diesen Emotionen, die uns immer wieder an alte Verletzungen erinnern und unser Leben und unsere Beziehungen maßgeblich im Griff haben.
Denn wer hat nicht schon einmal die Erfahrung in seinem Leben gemacht, dass wir auf ein Ereignis mit einem anderen Menschen plötzlich heftig und völlig übermäßig oder unangemessen reagieren? Wir fühlen uns total verletzt oder missachtet, vielleicht auch gedemütigt und vor allem gar nicht erst gesehen. Oftmals stehen hier hinter unerlöste innere Kinder. Der Schmerz von damals, der nicht gesehen, gehört oder gefühlt wurde, kommt dann gerne später in unseren Beziehungen hoch und sorgt für Verwirrung, Angst und heftige Gefühle.
Eine der meist stärksten Ängste, die oft unbewusst da ist und unser Verhalten steuert, ist die Verlustangst, die meist schon ganz früh emotional erlebt wurde. Diese kann schon im Mutterleib erfolgt sein z.B. bei Schwangerschaftskomplikationen oder nach der Geburt, wenn Mutter und Kind getrennt werden (z. B. wenn sie mit vielen anderen Säuglingen ‚allein‘ im Säuglingssimmer versorgt und nur zum Stillen zur Mutter gebracht werden, aber auch wenn die Mutter plötzlich erkrankt und einfach weg war (durch einen Krankenhausaufenthalt) oder der Säugling erkrankt und die Eltern nicht zu ihrem Kind dürfen). Zum Glück hat sich in den letzten Jahrzehnten einiges verändert, wobei es leider auch ausreichend andere Erfahrungen aus der Praxis gibt bzw. jüngste Beispiele in der Coronazeit zu tiefgreifenden Trennungen geführt haben.
Diese Gefühle jedenfalls, die mit der Trennung erlebt wurden, bleiben wie Stempel an uns haften, sofern wir sie nicht anschauen und und auflösen (durch Traumaarbeit, Cranio-Sacral-Therapie, Familienaufstellungen oder anderen therapeutischen Methoden). Sie können dann maßgeblich unser Leben beeinflussen und aus den resultierenden Bindungsstörungen können Langeweile im Kontakt, aber auch Angst (z. B. vor Nähe) oder unerfüllte Beziehungen folgen. Traumata haben auch die Eigenschaft wiederholt zu werden (vgl. Traumaarbeit und Peter Levine). So werden unverarbeitete Traumaerfahrungen unbewusst erneut kreiert (Reinszenierung), zwar unter anderen Umständen als früher, allerdings emotional ähnlich. Ein typisches Beispiel aus meiner Praxis ist, dass sich z. B. nach Trennungen (in Beziehungen, am Arbeitsplatz, in die Rente) wieder verstärkt alte frühkindliche Emotionen auftauchen und somit unser Leben maßgeblich bestimmen.
Fehlen Halt und emotionaler Ausdruck, so sind häufige Reaktionen Erstarrung, Rückzug und Isolation. Verletzungen werden z. B. in Form von Wut, Trauer oder Angst ausagiert (Rosenkrieg) und verstärkt. Daher ist es sinnvoll, die eigenen Verletzungen anzuschauen, um wieder in Kontakt mit den oftmals (abgespaltenen) Gefühlen zu kommen. Diese können dann in Begleitung gesehen, gelöst und losgelassen werden (vgl. auch Die Heilige Wunde). Somit kann der eigene Schmerz heilen und in uns erwächst wieder Selbstbestimmung & Handlungsfähigkeit und wir öffnen uns wieder für Nähe, Kontakte und Liebe.
Hinterlasse einen Kommentar
An der Diskussion beteiligen?Hinterlasse uns deinen Kommentar!