Hochsensibilität - Hochbegabung der Sinne - Bild 1 - Heilpraxis körperorientierte & biodynamische Cranio-Sacral-Therapie, Traumatherapie, Körpertherapie, Resonanztherapie, Psychotherapie & Coachings - Marion Welz - Heilpraktikerin Berlin Pankow-Reinickendorf

Hochsensibilität & Trauma

Hochsensibilität – eine Hochbegabung?

Hochsensibilität – die Hochbegabung der Sinne: Als Hochsensible macht es mir große Freude, Menschen mit ihrer sensitiven Begabung zu begleiten. Zu spüren, dass es in der Kommunikation weniger Erklärungen bedarf. Sich einfach so zeigen zu dürfen – ohne etwas verändern oder bestimmtes tun zu wollen, nichts zu unterdrücken, ohne Scham alle Gefühle anzunehmen und zu Sein – ohne große Worte, nur Erleben. Es steckt so viel Kraft und Potenzial in dieser Gabe und ich freue mich, wenn sich dieser ‚Schatz‘ mehr und mehr zeigen darf.

 

Als Begriff ist die Hochsensibilität noch recht jung. Es wird auch von Hochsensitivität oder Vielbegabung gesprochen. Hochsensibilität kann sich auf viele verschiedenen Arten / Sinne zeigen und ist dadurch sehr individuell. Hochsensible Personen (HSP) nehmen Reize mit ihren Sinnen äußerst empfindsam und in ihrer ganzen Vielfalt wahr. Ich erlebe HSP einzigartig, so, wie ich auch den Menschen an sich einzigartig in seinem Mensch-Sein erlebe. Es gibt viele Attribute, die Hochsensiblen zugesprochen werden und je nach dem welcher Sinn besonders angesprochen ist, zeigt es sich auch. Die folgende Aufzählung soll es nur schematisch verdeutlichen und spiegelt in keinster Weise die Vielfalt dieser Gabe wieder:

  • So kann der Webdesignerin ein Foto ‚im Auge wehtun‘, wenn es farblich für sie nicht in die Gesamtillustration passt.
  • Der Dirigentin schmerzen die Ohren, wenn das Zusammenspiel verschiedener Instrumente im Orchester nicht harmoniert.
  • Dem Feinschmecker begegnet Unwohlsein, wenn die Mischung aus Gewürzen sich für ihn ‚widerspricht‘.
  • Und beim Geruchsempfindsamen kann ein Parfüm eines anderen Menschen so aufdringlich sein, dass es zu Kopfschmerzen führt.
  • Dem feinfühligen Kind kann die Traurigkeit eines anderen Kindes im Raum so nahe gehen, dass es selbst ganz traurig wird und anfängt zu weinen.

Und das sind nur wenige Möglichkeiten, wie sich diese besondere Empfindsamkeit unserer Sinne zeigen kann. Es gibt so viel mehr Facetten und Nuancen und auch über unsere 5 Sinne hinaus noch vieles (hellsichtig, hellhörig, hellfühlig)… Ich persönlich empfinde Hochsensibilität so vielfältig, dass es sich für mich nicht genau beschreiben lässt und ich Hochsensibilität / Hochsensitivität / Hochbegabung in seiner Mannigfaltigkeit einfach erst mal so stehen lassen möchte.

Hochsensibilität: anders wahrnehmen, anders arbeiten, anders sein und – immer auf Empfang…
Hochsensibilität - Hochbegabung der Sinne - Marion Welz - Berlin

Diese hohe Empfindsamkeit und Wahrnehmungsfähigkeit kann schon sehr früh dazu führen, dass wir uns ‚anders‘ fühlen. Wenn du als Kind Situationen wahrnimmst, die andere nicht so empfinden und dir vermittelt wird, dass DU falsch liegst. Schon früh habe ich gelernt, mir und meiner Wahrnehmung nicht zu vertrauen. Sie passte nicht in die Welt der Anderen, in die Wahrnehmung meiner Eltern, also musste ich wohl falsch sein. Und es ist überhaupt nicht als Vorwurf gedacht, dennoch prägte sich diese Erfahrung tief in mir ein und wurde Gesetz. So festgeschrieben, dass ich es nicht mehr hinterfragte bis ins höhere Alter und mir dort der Satz begegnete: „Deine Wahrnehmung entspricht nicht der Realität“. Erst dann erwachte ich und konnte nachvollziehen, warum ich mich in meinem Leben immer nach einer Person umschaute, die mir Absolution erteilte, damit ich ins Handeln kam. Ich brauchte immer eine Absicherung durch andere, eine Bestätigung, so Sein zu dürfen. Damit schlingerte ich durchs Leben, immer mit dem Fokus im Außen: Darf ich das jetzt? Ist das angemessen, passend? Lieber schnell noch mal nachfragen, ob ich so ok bin. Ich passte mich an.

Wenn wir unseren zunehmend verfestigten Glaubenssatz nicht als Mahnmal manifestieren wollen, dann ist es an der Zeit, den Dingen heute realistisch zu begegnen und anzuerkennen: wir sind einzigartig, vielfältig & bunt und dürfen uns in unserer ganzen Vielfalt und Farbenpracht zeigen! Wir dürfen sein, wie wir sind! Wenn wir unsere Gabe nicht nur als Last sehen, weil wir uns oft durch die hohe Empfänglichkeit für Reize überfordert fühlen (Stress durch Reizüberflutung), sondern als besondere Begabung, dann stellen wir fest, dass unsere Gabe zu unserer Berufung werden kann. Voller Hingabe sich dem zu widmen, was wir besonders gut können! Unserer Neugierde nachgehen und uns anregen lassen! Und das dürfen wir natürlich auch in unserem Berufsleben einsetzen. Denn wenn wir etwas gerne tun, mit Freude dabei sind, uns inspirieren und begeistern lassen, dann wird uns selten etwas zu viel. Dann können wir richtig viel bewegen und uns in der Leichtigkeit des Seins aufhalten. Dann kann aus dem Beruf unsere Berufung werden. Die Gefahr besteht jedoch schnell, in ein Burn-out zu gleiten, weil wir mit einer hohen Motivation dabei sind und unsere verfügbaren Ressourcen leicht vergessen. Eine tiefe innere Erschöpfung folgt.

Dann ist es gut, achtsam mit sich zu sein und für sich zu sorgen. Nicht im Außen zu bleiben, sondern sich wieder mehr auf sich besinnen, mit sich selbst verbinden, im Selbst sein. Das wirkt sehr heilsam und ist kraftvoll und ich brauche niemanden mehr, da ich mir meine Liebe und Anerkennung, Freude und meinen inneren Frieden selbst geben kann.

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Mein Erleben von Hochsensibilität & Hochsensitivität

…einzigartig, vielfältig & bunt in all seinem Reichtum

Bei dem Thema Hochsensibilität macht sich Traurigkeit bei mir bemerkbar. Mir kommen Worte wie Weichei, feinfühlig, eingeschnappt, nah an Wasser gebaut. Für mich ist der Begriff noch recht neu und dadurch, dass sich dahinter so viel verbirgt und so facettenreich ist, fühlt es sich (noch) wie ein Dschungel von 1000 Möglichkeiten an.

Ich spüre in meinen Körper, atme tief ein. Was bedeutet Hochsensibilität / Hochsensitivität für mich?

Es fällt mir schwer, es in Worte zu fassen. Es ist so viel Empfundenes und auch wieder nichts greifbares. Es macht mich traurig. Es ist so vielfältig, so tief, so – unbeschreiblich. Es sind viele Erfahrungen und auch Leere. Es ist – etwas zu viel und – ich bin angreifbar… Alles von Außen einströmende kann zu viel sein: Zu viel Lärm, zu viel Unruhe, zu viel Mensch, zu viel Licht, zu viel Geruch, zu viel Geräusch, zu viel Gefühl. Nicht mit sich sein können. Das Außen ist sehr präsent. Ich ziehe mich in mich zurück, dann kann ich ganz Da-Sein – für mich sein, mich spüren. Ganz in meinem Tun aufgehen, ohne Zeit & Raum, wie eine Blüte, die sich langsam entfaltet.

Ich kann nur fühlen, was Hochsensibilität bedeutet: Zuviel Anforderung. Zu viel Druck. Zu viele Erwartungen. Zu viel Last. Zu viel Traurigkeit. Mein Verstand meldet sich: Komisch, (zu) viel war doch das, wonach ich immer gestrebt habe. (Zu) viel Anerkennung im Außen, (zu) viel kontrollierte Aufmerksamkeit, (zu) viel Liebe, Umarmungen, Nähe, Kontakt, (zu) viel Sicherheit, (zu) viel Arbeit… Aber habe ich wirklich danach gestrebt?

Ich merke, auch wenn die Erfahrung für mich noch recht frisch ist, ist sie mir dennoch wichtig, zu erleben.

Sensibilität macht angreifbar. Gefühlt immer Projektionsfläche für andere zu sein. Rückzug, Stillsein, anpassen um nicht aufzufallen, um dazu zu gehören, um geliebt zu werden? Verständnisvoll, hilfsbereit, präsent sein für andere. Offen sein und alles und jeden verstehen können, nur sich selbst nicht. Diese Rolle wird aus der hohen Empathie heraus so verinnerlicht, dass wir selbst auf der Strecke bleiben. Ich habe mich z. B. verpanzert, zu gemacht, mein Herz verschlossen, um mich zu schützen, vor all dem Leid der Welt, was ich wahrgenommen habe und trotzdem bin ich genau hierauf immer wieder freiwillig zugegangen. Hier wurde ich gebraucht, hier konnte ich helfen, war ich richtig, erwünscht und ich war (zu) naiv (was ich nicht negativ sehe) zu begreifen, dass ich nur diene damit – im Außen. Innerlich habe ich mich immer weiter von mir distanziert, versteckt, niemanden an mich rangelassen, mich – als mein Wesen – nicht gezeigt. Ich nehme auch wahr, dass die Menschen sehr viel mit sich selbst beschäftigt sind. Vielleicht habe ich auch deswegen selten nach Hilfe gefragt, um mein Gegenüber nicht auch noch mit meinen Themen zu ‚belasten‘.

Meine Erfahrungen mit Hochsensiblen sind,

  • dass wir sehr viel im Außen sind und uns darüber hinaus selbst mit unseren Bedürfnissen vergessen.
  • dass wir mit der Fülle an Reizen, die auf uns einströmen, schnell in die Überforderung geraten.
  • dass uns die Reize oder Gefühle regelrecht überfluten können (und hier nicht nur die vermeintlich Negativen wie Traurigkeit & Angst, sondern auch Glück & Dankbarkeit).
  • dass wir uns anders fühlen, weil wir anders fühlen und dies nur mit anderen Hochsensiblen so teilen können.
  • dass wir besonders fühlen, weil wir fühlen wie wir fühlen - besonders intensiv.

Hochsensibilität hat nicht nur Schatten, es ist auch eine besondere Gabe – die ‚Hochbegabung der Sinne‘. Und diese Hochbegabung geht bei mir viel mit gelebter Erfahrung einher. Ich weiß um Dinge, ohne sie gelesen zu haben oder mich zumindest bewusst daran erinnern zu können. Die gelebte Erfahrung bringt mir einen Wissensschatz, der in keinem Buch steht, worüber noch keine Geschichten geschrieben wurden, der keine Statistik oder wissenschaftlichen Beweise braucht. Ich beschreibe es so wie ich es gerade empfinde, wahrnehme, beobachte, fühle. Und auch wenn sich das jetzt vielleicht ‚abstrus‘ anhören mag oder auch nicht nachvollziehbar für einige: es fühlt sich für mich genauso an. Meine Begabung besteht in der erlebten Erfahrung. Diese kann z. B. auch nur aus der Vorstellungskraft heraus entsprungen sein, denn das kann das Gehirn als Realität ablegen. Ich brauche die Erfahrung nicht selbst durchlebt zu haben, mir genügen die vielen Erfahrungen, die ich in meiner Arbeit mit Menschen ‚erforscht & gescannt‘ habe: Erfahrungen meiner über Jahrzehnte hinweg betreuten Patienten, Erfahrungen mit KollegInnen, MitarbeiterInnen und Vorgesetzten sowie das Erleben meiner KlientInnen. Es ist ein Erfahrungsschatz der sich nicht in Worte fügen lässt. Es bleibt nur erfühlt und gelebt und ist nicht belegbar.

Und dennoch ist so viel Wahrheit darin bzw. liegt vielleicht genau darin die Wahrheit?

Ohne Mainstreamjournalismus auf eine Fährte vorprogrammiert worden zu sein, ohne Einfluss von geschürten Ängsten im Außen, ohne Machtspiele und Funktionärsarbeit – einfach nur gelebte Wahrheit. In diesem Zustand fühle ich mich so frei, so richtig, so ganz, so Ich-selbst und ich brauche mich nicht mehr zu verstecken. Ich darf sein, wie ich bin!

Das ist Hochsensibilität für mich, aus der sich die Begabung ergibt. Die Begabung mit dem umzugehen, was ist und eine klare Handlungsfolge daraus ableiten zu können. Und wenn ich in meiner Wahrheit stehe, dann kann ich auch ‚Nein‘ sagen. Dann sehe ich mich mit meinen Bedürfnissen und habe den Mut, diese auch zu formulieren. Und ich lerne, nicht nur das Nein der anderen zu akzeptieren, sondern auch meine Bedürfnisse und Gefühle zu respektieren. Und so komme ich mir und meinem Selbst wieder etwas näher und lebe mehr, was ich bin. Erste Erfahrungen beim Nein sagen zeigen mir, dass es hilfreich ist zu schauen, wie ich es mache und nicht nur das ich es mache. Das Nein von innen heraus zu formulieren, aus der eigenen Überzeugung sprechen, dann lässt es auch kein ‚rechts oder links‘, ‚vielleicht‘ oder ‚aber‘ mehr zu und ist klar in der Formulierung und in seiner Aussage.

Hochsensibilität & Trauma

Entsteht die Hochsensibilität infolge der genetischen Disposition (angeboren) oder ist eine erhöhte Reizempfindsamkeit Folge eines Traumas, also einer erfahrenen ‚lebensbedrohlichen‘ Situation, in der etwas zu stark und / oder zu lange auf unser Nervensystem eingewirkt hat?
Bedeutung von Hochsensibilität und Trauma für mich

Inwiefern und wie hier ein Zusammenhang besteht, wird sehr unterschiedlich in der Fachwelt diskutiert. Aus meiner Sicht macht beides Sinn. Sicher hat die Vererbung von Merkmalen (nach Elaine Aron) auch bei der Sensibilität einen Einfluss auf unser Sein. Gleichzeitig kann einer traumatischen Erfahrung ein Gefühl folgen, immer auf der Hut zu sein‘ und alles unter Beobachtung haben zu wollen. Also mit allen verfügbaren Sinnen die Kontrolle zu bewahren. Die Frage ist hier, was war zuerst da: das (insbesondere frühkindliche) Trauma oder die genetische Disposition?

Da wir auch bereits Traumata prä- und perinatal erfahren können, ist es meiner Ansicht nach gar nicht so ausschlaggebend. Vielmehr interessant ist für mich, dass Hochsensible / Hochsensitive Personen (HSP) offenbar einer erhöhten Gefährdung für traumatische Erfahrungen ausgesetzt sind. Denn infolge der hohen Empfindsamkeit ihrer Sinne wirken Reize viel stärker und intensiver, sodass eine Situation, in der etwas zu stark und / oder zu lange auf unser Nervensystem eingewirkt hat, bei HSP ‚schneller‘ zu einer Traumatisierung kommen kann, auch weil die starke Reizempfindung der HSP sie auch gleichzeitig verletzlicher macht.

Es gibt also Hochsensible Personen (HSP), traumatisierte HSP und ausschließlich traumatisierte Menschen (in der Fachsprache Hypervigilanz).

Was wird überhaupt unter Trauma verstanden und welche Auswirkungen hat es?

 Die heutige Beschreibung des Begriffs Trauma ist in keiner Weise einheitlich und versucht sich noch immer an einer schlüssigen Definition (vgl. Traumaarbeit).

Ich verstehe Trauma heute so, dass ein äußerer Reiz zu stark und / oder zu lange auf uns eingewirkt hat und wir aufgrund unserer gegebenen Rahmenbedingungen keine Gelegenheit hatten, uns entsprechend zu wehren (Kampf) oder die Flucht zu ergreifen. Ob, wie und in welcher Form die Dauer und / oder Stärke dieses Reizes tatsächlich traumatisch auf uns einwirken kann, hängt von den individuellen Bedingungen (was bringen wir schon mit?) und den eigenen Ressourcen sowie der Resilienz (Widerstandsfähigkeit) jedes Einzelnen ab.

Wie stellt sich Trauma im Körper dar: Nach Peter A. Levine haben wir in einer uns bedrohenden Situation Kräfte mobilisiert, die wir nicht in Form von Angriff oder Flucht oder anderer Abwehrreaktionen (z. B. Rückzug, Abwendung) aktiv umsetzen konnten. Diese energetische ‚Ladung‘ sitzt in unserem Nervensystem fest und wird im späteren Verlauf durch bestimmte Situationen, die uns zunächst nicht bewusst sind, angetriggert. Diese ‚gehaltene‘ Energie wird also bei bestimmten Stimuli unbewusst durch Reize aktiviert und für unser System existiert die zuvor erfahrene Bedrohung bzw. Verletzung weiterhin. Die Anspannung bleibt im Körper, kann sich nicht ‚entladen‘ und wird oft ein Leben lang gehalten. Das ist anstrengend und kann folglich zu Krankheit führen.

Dami Charf beschreibt dies im Zusammenhang von Traumatisierung als Window of Tolerance: Jeder Mensch hat ein emotionales Fenster, das zum größten Teil von der Selbstregulationsfähigkeit jedes Einzelnen abhängig ist. Werden wir in bestimmten Situationen getriggert (z. B. in Form von Kritik, Verletzungen), kommen wir schnell in die Überstimulation, also außerhalb (oberhalb) des Fensters (Kampf oder Fluchtimpulse zeigen sich – Aktivierung des Sympathikus und Ausschüttung von Adrenalin). Oder wir kommen zum Schutz als letzte Notfallmaßnahme in die Unterregulation, also außerhalb (unterhalb) des Fensters  (Erstarrung, Kollabieren, Totstellen – Aktivierung des Parasympathikus (des dorsalen Vagus – polyvagale Theorie nach Stephen W. Porges) bei aktiviertem Sympathikus. Dies kann man sich als Vollbremsung bei Vollgas vorstellen).

Dieses Stresstoleranzfenster kann bei HSP und bei Traumatisierten bzw. HSP mit Trauma sehr schnell über- oder unterschritten werden (Ausschläge nach unten oder oben). Sie gelangen mit ihren Emotionen sehr schnell in eine Überreizung / Überforderung. Bei ‚nur‘ traumatisierten Personen (Hypervigilanz) gehen die Überreizung und die erhöhte Sinnesempfindung nach der Traumaverarbeitung zurück, bei HSP nicht. Hochsensible Personen mit guter Selbstregulation erreichen recht schnell wieder ihr Window of Tolerance, traumatisierte Menschen nicht: Sie fühlen sich ausgeliefert und werden von ihren Emotionen regelrecht überflutet (Überreizung / Überforderung) oder aber sie kollabieren (Erstarrung).

Hochsensibilität und Trauma

Was Hochsensibilität & Trauma für mich bedeuten

Hochsensibilität bedeutet für mich ein ganz feines Nervensystem zu haben. Anfällig für vieles kleines zu sein, was um uns geschieht. Da sehe ich z. B. meine Schale mit Stiefmütterchen und Gänseblümchen vor dem Haus. Manche Blüten strotzen nur so vor Kraft, gehen mit ihren kräftigem gelb der Sonne entgegen, als ob sie sich zeigen wollen: hier bin ich! Und andere, bei denen die Lebenszeit dem Ende zugeht, haben jegliche Kraft & Energie verloren und ziehen sich in ihr Nichts zurück. Das macht mich traurig und ich habe den Drang, etwas tun zu müssen, weil ich die zu Ende gehende Blütezeit wahrnehme. Mein erster Impuls ist, diese Blüten alle abzurupfen, damit ‚es wieder schön‘ aussieht. Und dann wird mir bewusst, dass es ‚vielem‘ so geht. Wir als Menschen z. B. werden geboren, wachsen & entwickeln uns, kommen in die Blüte unserer Jahre und verlieren dann zunehmend an Energie bis wir als Körper irgendwann von dieser Welt gehen. Wir verlassen unsere zur Verfügung gestellte Form wieder – ein ganz normaler Kreislauf, der irgendwann nicht mehr in der Form existiert (Körper) und als Energie bleibt.

Diesen Impuls, etwas tun zu müssen, den ich bei der vergangenen Blüte wahrnehme, nehme ich auch im Umgang mit meinen Mitmenschen wahr. Ich sehe z. B. Leid & Schmerz im Ausdruck und habe das dringende Bedürfnis, etwas tun zu müssen. Zu unterstützen, dass es Ihnen besser geht.

Ich sehe Wut & Aggression und möchte die Decke darauf legen, dass es ganz schnell vorbei ist, wieder ‚gut‘ ist. Ich mag dieses Gefühl gar nicht aushalten und sehne mich nach Ruhe & Harmonie. Oder ich sehe Freude & Glück und mir geht das Herz auf. Ich empfinde ebenfalls diese Gefühle, als ob es meine eigenen wären – so, als wären Gefühle ansteckend.

Es gibt eine sehr hohe Sensibilität für das, was um mich herum passiert. Geht es um ‚negative‘ Gefühle so möchte ich diese sofort zudecken, abschaffen – was im Prinzip auch unsere Gesellschaft und meine Sozialisation widerspiegelt.  Schmerz, Leid und damit einhergehende Tränen sind nichts, was wir Menschen sehen oder zeigen möchten, weil wir früh gelernt haben:

  • keine Heulsuse zu sein, schon gar nicht als Junge
  • dass ein Indianer keinen Schmerz kennt
  • eher Stolz zu sein, weil Demut oder Unterwürfigkeit im Umkehrschluss mit Schwäche gleichgesetzt wird

Deshalb kommen wir als hochsensible Personen immer wieder ins Tun. Wir nehmen den Schmerz in unserem Außen wahr und wollen die Wunden abdecken oder gar nicht erst entstehen lassen. Wir können nicht aushalten und deshalb folgt auf jeden Reiz von außen auch meist eine Reaktion.

Da unser feinfühliges Nervensystem Stimmungen sehr schnell wahrnimmt, wollen wir auch sofort handeln. Es wieder ‚gut‘ oder ‚schön‘ machen, weil wir ganz schnell aus unserem Stresstoleranzfenster raus fallen und auch, weil wir es so gelernt haben.

So können wir uns unser Leben lang damit beschäftigen, auf unser Außen zu reagieren – denn unser Inneres nehmen wir schon lange nicht mehr so deutlich wahr. Denn wenn ich als Kind z. B. die Wut, das Leid, den Schmerz wahrnehme und mit einer sehr hohen Empathie – wie es Hochsensible haben – umgehe, bin ich bestrebt, die Wunden z.B. meiner Eltern schnell abzudecken. Ich gehe hin und umarme, tröste, gebe, was ich zu geben habe, so gegenwärtig, wie ich als Kind noch sein kann (vgl. hierzu auch den Blog  ‚Weniger im Tun als im Sein sein‘).

Aber irgendwann können all diese ‚gelebten Gefühle‘, die wir oftmals zu unseren eigenen machen, nicht mehr gemanagt werden und wir legen uns Panzer zu, die mit der Zeit immer fester & stabiler werden – wie der Panzer einer Schildkröte. Wir versuchen uns durch diese vor den nicht zu uns gehörenden Gefühlen zu schützen. Wir verpanzern unser Herz, wir verpanzern unsere Mitte – unseren Bauch und wir versuchen uns irgendwann mithilfe unseres Verstandes alles zu erklären.

So kommen wir immer weiter weg von uns und unserem Körper, weil wir die Last im Außen nicht mehr tragen können und kommen mehr und mehr in unseren Verstand, der vorgibt zu wissen, was gut für uns ist: Mach es nicht so, denn damit bist du schon mal auf die Nase gefallen. Probiere es so (zukunftsorientiert), dann ‚schaffst‘ du es vielleicht.

Der Verstand kreiert auch weitere Anteile in uns z. B. den Kritiker, der dann sagt: kein Wunder, dass das nicht klappt, das hätte ich dir auch gleich sagen können (vergangenheitsbezogen).

Und so baut sich schon in sehr frühen Jahren ein Konstrukt aus vermeintlich guter Zukunft (ich kann planen und alles ist offen -> es werden Träume platziert, die positiv verhaftet werden) und Vergangenem (siehst du, hast du wieder nichts daraus gelernt) auf, was uns immer weiter aus der Gegenwart zieht – von uns selbst wieder entfernt. Wir trauern Vergangenem nach (was wir ja nun mal nicht mehr ändern können) oder bauen uns durch unser Ego (was ja überleben will) Zukunftsträume auf, um nach dem vermeintlich ‚besserem‘ zu streben. Erreichen wir es nicht, wird der Kritiker größer und der Verstand baut gleich wieder ein Neues Konstrukt auf, wie es schöner, besser, anders sein könnte.

Die Wahrheit ist das aber alles nicht und diese – zeigt sich auch nur in der Gegenwart:

im Hier & Jetzt.

Denn hier darf ich sein – so wie ich bin, hier gibt es keinen Verstand, keinen Kritiker, kein Ego,… Hier gibt es Liebe, Ruhe & Frieden. Hier darf ich mich spüren, mit allem was ist. Und hier darf ich auch meine Empfindungen zeigen, weil sie nicht gleich von unserem Verstand zensiert werden. Ich darf mich atmen. Ich darf sein – mit allem was ist.

Weil wir als hochsensible Menschen so viele Reize aufnehmen und sich oftmals reaktive Handlungen anschließen, fühlen wir uns häufig überfordert & kommen schneller in Erschöpfungszustände bis hin zum Burn-out: Ist die Fähigkeit eingeschränkt, Stress zu regulieren? Spüren wir unseren Körper noch? Werden neutrale Aussagen als Angriff bewertet? Haben wir eher das Negative im Blick? Wird unsere Empathie egozentrisch? Sind wir sehr nah an Wasser gebaut? Fühlen wir uns grundlegend eher angespannt und unruhig, antriebslos und erschöpft? Führen auch schöne Gefühle zu einer Übererregung? Haben wir den Sinn für schöne Dinge verloren? Empfinden wir Kontakt als Anstrengung? Überfluten uns unsere Emotionen oder entstehen Ängste, die sich zu Panikattacken entwickeln? Können Emotionen noch tagelang nachhallen oder drehen wir uns in unseren Gefühlen und Emotionen immer wieder im Kreis? Kommen Depressionen auf? Ist unser Schlaf negativ beeinträchtigt?

Um diese Erschöpfungszustände gar nicht erst entstehen zu lassen ist es hilfreich, auf seinen individuellen Stresspegel zu achten, Pausen einzulegen und auch zu schauen, wo genau liegen meine Ressourcen: was bringt mich wieder runter (z. B. Tanzen, Telefonat mit einer guten Freundin, ein Spaziergang in der Natur, Meditation)? Und auch zu schauen, wie du über dich selbst denkst, wenn deine Gefühle mit dir durchgehen: kommt sofort dein größter Kritiker und verwendest du Worte wie ‚immer, schon wieder‘ oder vergleichst du dich mit anderen? Oder gehst du liebevoll und verständnisvoll mit dir um, zeigst du Humor und gehst augenzwinkernd und mit Leichtigkeit an die Sache ran?

Die Entscheidung liegt immer bei uns selbst. Zuerst steht natürlich die Erkenntnis und dann ist es gut, von bekannten Pfaden Abschied zu nehmen und in Selbstliebe wieder zu sich zu finden…

Aber nicht nur Erschöpfungszustände können sich zeigen. Durch die besondere Empfindsamkeit der Sinne können Reize hochsensible / hochsensitive Menschen in hohem Maße ungefiltert durchdringen. Erfahrungen wie Überforderung, Ablehnung, Unterdrückung, Kränkungen, Missachtung, Vernachlässigung, emotionale Ausbeutung, mangelnde Wertschätzung potenzieren sich leichter und schneller und können wie ein Orkan im Inneren wüten. Es kann daher aus meiner Sicht früher zu traumatischen Erfahrungen kommen, da diese äußeren Reize intensiver wahrgenommen werden. Je nach dem, wie sie verarbeitet werden und die individuellen Rahmenbedingungen (was bringe ich schon mit an Verletzungen?), Ressourcen und Resilienz jeder einzelnen Person sind, können weniger oder sehr tiefe Verletzungen und Wunden entstehen, die je nach dem zu einer tiefgreifenden Verzweiflung führen können.

Daher ist es umso wichtiger zu schauen, ob das eigene Kind möglicherweise hochsensibel ist. Dies kann sich z. B. folgendermaßen zeigen:

  • der 3jährige Sohn äußert, dass ihm das Zähneputzen weh tut. Für ihn ist die Zahnpasta zu scharf, er kann es aber noch nicht besser ausdrücken. Die Mutter putzt ganz vorsichtig und vermittelt dies auch: "guck mal, ich putze doch schon ganz vorsichtig"
  • beim Strümpfe anziehen dauert es ewig. Er wehrt sich, weil die Strümpfe an den Zehenspitzen zu eng sind, kann es aber noch nicht benennen. Das Anziehen wird jedesmal für beide zur Qual und es dauert ewig.
  • der 3jährige äußert, dass ihm das Brot nicht schmeckt. Die Rinde ist heute härter als sonst, was er nicht äußern kann. Die Mutter meint, das kann nicht sein, da es immer das gleiche Brot ist und auch seine Lieblingswurst drauf ist. Es schmeckt ihm trotzdem nicht und das Frühstück dauert doppelt so lange.

Inzwischen sind schon beide auf einem hohen Stresslevel angekommen. Das Kind fragt, ob die Mutter wütend sei, was sie ablehnt, weil sie es ja auch nicht sein möchte.

Was lernt das Kind aus dieser Darstellung?

Es hat gelernt, dass es seiner Wahrnehmung nicht trauen kann.

  • Ihm schmerzt die scharfe Zahnpasta. Die Mutter verneint Schmerzen und meint, das sie doch schon ganz vorsichtig putzen würde. Die Wahrnehmung wird ohne schlechte Absicht in Frage gestellt.
  • Das Brot schmeckt nicht. Die Mutter negiert, da es ja das gleiche Brot wie immer sei. Und die Mutter muss es ja wissen: sie weiß doch alles.
  • Der 3jährige spürt, dass die Mutter wütend ist, was sie aber verneint. Er lernt, wenn er nach den eigenen Bedürfnissen handelt, wendet sich die Mutter ab und beschimpft ihn vielleicht sogar. Er bekommt das Gefühl, etwas falsch gemacht zu haben. Auch spürt er, dass die Mutter wütend ist, aber das eigene Gefühl offenbar nicht richtig sein kann.

An diesem kurzen Beispiel möchte ich zeigen, dass die hohe Empathie von HSP ohne böse Absicht der Eltern dazu führen kann, dass sich Kinder schnell in Frage stellen können; insbesondere in jungen Jahren sind sie noch sehr auf die Orientierung ihres Umfeldes angewiesen. Hochsensible Kinder können hierdurch allerdings systematisch lernen, eher der Wahrnehmung anderer zu vertrauen als der eigenen, was sich durch das ganze Leben ziehen kann.

Natürlich gibt es in der Erziehung immer solche Situationen. Ich gehe grundsätzlich davon aus, dass die Erziehung der Eltern gut und gewissenhaft gemeint ist, dennoch können auch hieraus schmerzhafte Erfahrungen folgen. Und nicht alles lässt sich sicher vermeiden, denn das Leben ist kein Ponyhof und wie eine Kollegin sagt: Elternschaft ist per se auch fehlerhaft.

Kommen solche Situationen aber zu häufig vor, kann es Auswirkungen auf die Psyche des Kindes haben. Wenn es dauerhaft zu lang und / oder zu stark wirkt, kann sogar ein Entwicklungstrauma entstehen.

Das Kind lernt, dass sein Gefühl nicht richtig ist und beginnt seinen Gefühlen zu misstrauen oder sie zu übergehen. Auch kann es dissoziieren, also seine Gefühle abspalten, da die Diskrepanz sonst nicht mehr auszuhalten wäre. Im späteren Leben kann es zwar wunderbar spüren, wie es anderen geht und was sie brauchen; bei den eigenen Gefühlen und Bedürfnissen fällt dies allerdings schwer.

Es fällt deshalb schwer unsere Bedürfnisse zu benennen, weil wir den Zugang zu unserer eigenen Wahrnehmung verloren haben. Wir neigen dann zur Anpassung, weil es uns ein Gefühl der Sicherheit gibt. Damit tun wir oftmals Dinge, die wir nicht wollen. Das kann von der gewählten Ausbildung bis hin zu Freundschaften oder zur Ausführung eines Managerjobs gehen. Wir haben Gespür zu sehen, was für uns gut wäre, weil wir immer den Erwartungen anderer entsprechen wollen. Durch die Anpassung und das Übergehen eigener Bedürfnisse handeln wir im Grunde genommen immer gegen uns, gegen unser Inneres.

Schuld- und Schamgefühle können sich entwickeln. Um uns im Außen zu erklären, nehmen wir die Hochsensibilität häufig als Entschuldigung. Durch diese Prägung kämpfen wir ständig gegen uns selbst. Resignation kann eine Folge sein. Wir trauen uns nichts mehr zu und beginnen gar nicht erst mit einer Aufgabe oder brechen diese frühzeitig ab. Das Wasserglas ist immer halb leer – nie halbvoll. Damit bestätigen wir uns kontinuierlich selbst, dass wir etwas nicht können. Das nennt sich dann selbst erfüllende Prophezeiung. Oder wir gehen in die Rebellion, was seltener auftritt. ‚Ich mache nur noch das, was ich für richtig halte ohne Rücksicht auf Verluste‘. Oder: Ich bin erstmal dagegen – wogegen auch immer – was häufig mit einer empfundenen Arroganz einhergeht.

Eine weitere Folge kann der Kontrollhang sein. Wir perfektionieren uns so derartig selbst, damit wir unantastbar sind oder auch aus dem extremen Wunsch heraus, alles richtig machen zu wollen. Wir werden äußerst hart mit uns selbst; begangene Fehler fühlen sich vernichtend an und wir leiden sehr und lange darunter. Diese Form der Kompensation ist wahnsinnig anstrengend, da wir es nie allen recht machen können. Diese Kontrolle kann sich später auch auf andere übertragen, z. B. auf unsere Kinder, sodass sich ein Teufelskreis entwickeln kann. Die Kinder können es ihren Eltern nie recht machen.

Wir ignorieren Warnzeichen unserer Körpers. Ohne Bedürfniswahrnehmung können wir nicht fühlen, wann es zu viel wird. Wir neigen permanent zur Überforderung, insbesondere als HSP.

Die Form, wie wir erziehen ist eng damit verbunden, wie wir selbst erzogen wurden. Und das gilt natürlich auch für unsere Eltern, deren Eltern und Großeltern. Keiner ist perfekt und jeder hat seine Geschichte. Versagen ist ein Teil des Mensch-Seins. Aus ‚Fehlern‘, die ich lieber Erfahrungen nennen möchte, können wir lernen.

Es ist ausreichend, gut zu sein.

Und in den Momenten, wo es uns nicht so gut gelingen mag, dürfen wir auch mal etwas weniger streng mit uns sein und liebevoll mit uns umgehen. Dieses mal hat es vielleicht noch nicht so geklappt, aus Erfahrungen können wir nur lernen und: wir tun Dinge im Augenblick immer so gut, wie wir sie genau in diesem Moment tun können – in diesem Augenblick habe ich mein Bestes gegeben. Morgen, nächste Woche oder im nächsten Jahr kann sich das durch weitere Erfahrungen, angeeignetes Wissen oder Erlebtes ganz anders darstellen und auch in diesem Augenblick tue ich wieder auf der Basis meiner Geschichte mein Bestes!

Wir dürfen immer davon ausgehen, dass wir nichts aus einer bösen Absicht heraus tun