Traurigkeit ist auch Energie

Blog - Traurigkeit ist Energie - Heilpraxis körperorientierte & biodynamische Cranio-Sacral-Therapie, Traumatherapie, Körpertherapie, Resonanztherapie, Psychotherapie & Coachings - Marion Welz - Heilpraktikerin Berlin Pankow-Reinickendorf

Traurigkeit ist auch Energie – eine Erfahrung

Vorsicht, Triggergefahr!

Es ist ein trister Novembertag, nach so vielen wundervollen Herbsttagen in diesem Jahr. Wie so oft spüre ich Traurigkeit in mir an diesen Morgen. Ich meinte, dass ich sie schon angenommen habe für mich – als Teil von mir. Und immer wieder stelle ich fest, dass die Traurigkeit noch tiefer geht. Dass die Traurigkeit unterschiedliche Facetten hat. Dass der Ursprung variiert.

Es kommt in mir sehr klar der Satz hoch: Ich möchte das nicht mehr! Mein Verstand stellt sich die Frage: aber was denn nur? Was möchte ich nicht mehr? Es kommt eine Antwort, wie ich meine, die Antwort kopfgesteuert ist und ich lege sie bei Seite. Mein Inneres fleht: Bitte lieber Gott, hilf mir! Diesen Satz sage ich nicht sehr oft und er fühlt sich alt an.

Mein linkes Ohr ist ‚zu‘, ich höre schon seit längerem auf dem einen Ohr nicht gut. Hat das was mit meiner Traurigkeit zu tun? Ich spüre rein. Mein Verstand kombiniert: Ohr – Hals – Verbindung durch die Eustachische Röhre: möchte ich nicht mehr hören? Lieber meine Wahrheit aussprechen? Natürlich, Gedanken verstärken die Traurigkeit. Unterbewusst. Sie ist aber so präsent, wie nie und ich merke die Traurigkeit in wahnsinniger Geschwindigkeit tief aus dem Herzen über den Kehlkopf bis zum Hals aufsteigen. Der Satz folgt: Ich kann das nicht mehr! Was kann ich nicht mehr, frage ich mich? Ich nehme wahr, dass es an / um meine Existenz geht. Mir geht es gar nicht gut und ich wünsche mir Unterstützung. Aber niemand ist da und wie ich mich schon kenne, braucht dann dieser kleine Kindanteil jetzt, hier und sofort Hilfe. Zum Glück erlebe ich es bewusst und lass mich nicht mehr so in diesen Traumastrudel reinziehen. Heute kann ich bewusst am Rand sitzen bleiben und mich beobachten. Es hat einige Jahre der Körperarbeit gebraucht, aber jetzt bin ich mir BEWUSST über mein Sein.

Es ist schier aussichtslos. Aber was? Um was geht es in mir? Was ist das für eine Traurigkeit in mir? Mir kommen die Worte: Liebevoll annehmen – was ist. Mich nicht mehr wehren. Wahrnehmen, dass die Traurigkeit zu mir gehört!

Und es ist ein Unterschied, ob wir wahrnehmen aus unserer Präsenz heraus oder ob wir fühlen aus unserem Körper heraus, was uns ganz schnell mitreißen kann.

Ich wiederhole den Satz: Die Traurigkeit gehört zu mir. Ja, sie gehört zu mir. Ich nehme sie an.

Jetzt nehme ich einen fast unmerklichen Schmerz hinter der Traurigkeit wahr, wie ein Blitz durchzieht er mich, aber noch viel mehr Angst folgt. Ich beobachte mich und stelle fest: Mein Körper hat entsetzliche Angst, ICH nicht. Ich spüre die Angst in meinen Augen, in verschiedenen Grimassen in meinem Gesicht, in der Enge des Halses und die Schutzmaßnahmen, die meine Arme einnehmen. Ich rede mir gut zu: Spüre die Angst. Ich nehme sie sehr stark in meinem Brustraum wahr und bin damit da – ich beobachte von meinem sicheren Platz am Rand des Traumastrudels aus. Ich lasse sich die Angst ausdehnen in Richtung Zwerchfell & Bauch. Ich bin da mit der Angst und wiederhole den Satz; Mein Körper hat Angst, ICH habe keine Angst. Es folgt ein Moment, wo ich anerkenne, wie groß das Geschehnis war. Ich fühle mich gesehen (heute nur von mir 😉 ). Egal, was war und ich nehme wahr: ES war wirklich groß. Mir kommen die Worte: Jetzt darf ich es ’sacken’ lassen. Ich versuche die Angst über mein Becken in Richtung Beine / Füße fließen zu lassen, was mir schwerfällt. Im Schambereich gibt es eine enorme Hürde. Ich nehme wahr, wie ich auf einmal loslasse und es fühlt sich an wie ein Gebähren… Mein Körper hat Angst loszulassen… Interessant, das ist ein neues Erlebnis für mich. Der Verstand hat es natürlich schon gewusst, aber es zu erleben war nochmal sehr besonders. Ich wiederhole den Satz: Mein Körper hat Angst loszulassen, ICH nicht. Ganz kurz kommt ein Gefühl der Wut hoch, nachdem ich die herunterfließende Energie mit Hilfe der Knöchelbewegungen weiter fließen lassen konnte. Mein Körper hat Angst, die Angst über den Schambereich loszulassen, ICH habe keine Angst. Es kommt noch zu diversen Körpersensationen und Gesichtsausdrücken in Form von Grimassen. Dann die Erkenntnis: Wir gebähren uns – nochmal!

Nachdem ich diese Erlebnisse zum ersten Mal ganz bewusst wahrnehmen konnte tritt eine Ruhe in mich ein. Dann bemerke ich Hunger und frühstücke.

Interessanterweise gebe ich an diesem Tag noch eine Sitzung und es geht auch genau um dieses Thema: Traurigkeit ist auch Energie und dass diese unterschiedliche Facetten hat. Meiner Klientin spürt die Traurigkeit als Energie und kann dadurch dieses Gefühl annehmen, fließen und sie damit auch ausdehnen lassen, wie wunderbar!

Wenn wir uns Gefühle ansehen wie Schmerz, Traurigkeit, Wut oder Angst, die sich oftmals mehr oder weniger schnell aufeinanderfolgend zeigen können und wir nur einem Thema ganz unsere Aufmerksamkeit richten, dann verliert es den Schrecken. Denn unsere Gefühle wollen auch gesehen werden, gewürdigt, bestenfalls in Begleitung bezeugt werden, sodass sie als ein Teil von uns angenommen und anschließend integriert werden können. Denn natürlich haben wir alles in uns, mehr oder weniger, von Zeit zu Zeit. Und so, wie wir uns niemals 100 % gesund oder krank fühlen, wie es niemals total dunkel oder ganz hell sein wird, so verhält es sich auch mit unseren Gefühlen. Klar sind sie da, mehr oder weniger stark, aber auch zu sehen, dass neben dem einen auch das andere da ist, z. B. wie bei meiner Klientin, die nach dem Spüren der Traurigkeit die Freude in sich bemerkt hat. Genau, es ist immer alles da und manchmal lassen wir uns von manchen Gefühlen ‚mitreißen‘ – und so haben wir es ja auch mal erlebt. Aber heute brauche ICH keine Angst mehr haben, wenn ich in meinem Haus sitze und meiner Traurigkeit nachspüre. Dann hat vielleicht noch der Körper Angst, weil diese in jeder einzelnen Zelle im Zellgedächtnis sitzt, aber real im Hier & Jetzt ist sie nicht. Und sich das bewusst zu machen und körperlich zu begreifen, zu erleben, führt dazu, dass wir die Schreckgespenster mehr und mehr loslassen können und näher an unsere wahre Essenz kommen. Schale um Schale, Mäntelchen um Mäntelchen streifen wir ab auf unserem Weg zu unserem Selbst. Was für eine Geschichte! Und wer es für ein Mörchen hält, der darf sich nur die kleinen, aber wahren Aspekte im Märchen herausgreifen 😉

In diesem Sinne mit Gruß aus dem Herzen

Marion

PS: Bitte diese Beschreibung nicht als Selbstanwendung und zum Nachahmen verstehen. Wir brauchen Ressourcen & professionelle Erfahrung, um uns Dinge vom Tellerrand her ansehen zu können. Bitte übernimm hierfür deine Verantwortung!


DAS MÄRCHEN VON DER TRAURIGEN TRAURIGKEIT (Inge Wuthe)

Es war einmal eine kleine Frau, die einen staubigen Feldweg entlanglief. Sie war offenbar schon sehr alt, doch ihr Gang war leicht und ihr Lächeln hatte den frischen Glanz eines unbekümmerten Mädchens.
Bei einer zusammengekauerten Gestalt, die am Wegesrand saß, blieb sie stehen und sah hinunter.

Das Wesen, das da im Staub des Weges saß, schien fast körperlos. Es erinnerte an eine graue Decke mit menschlichen Konturen.
Die kleine Frau beugte sich zu der Gestalt hinunter und fragte: „Wer bist du?“
Zwei fast leblose Augen blickten müde auf. „Ich? Ich bin die Traurigkeit“, flüsterte die Stimme stockend und so leise, dass sie kaum zu hören war.

„Ach die Traurigkeit!“ rief die kleine Frau erfreut aus, als würde sie eine alte Bekannte begrüßen.
„Du kennst mich?“ fragte die Traurigkeit misstrauisch.
„Natürlich kenne ich dich! Immer wieder einmal hast du mich ein Stück des Weges begleitet.“

„Ja aber…“, argwöhnte die Traurigkeit, „warum flüchtest du dann nicht vor mir? Hast du denn keine Angst?“
„Warum sollte ich vor dir davonlaufen, meine Liebe? Du weißt doch selbst nur zu gut, dass du jeden Flüchtigen einholst. Aber, was ich dich fragen will: Warum siehst du so mutlos aus?“

„Ich…, ich bin traurig“, sagte die graue Gestalt.
Die kleine, alte Frau setzte sich zu ihr. „Traurig bist du also“, sagte sie und nickte verständnisvoll mit dem Kopf. „Erzähl mir doch, was dich so bedrückt.“
Die Traurigkeit seufzte tief.
„Ach, weißt du“, begann sie zögernd und auch verwundert darüber, dass ihr tatsächlich jemand zuhören wollte, „es ist so, dass mich einfach niemand mag. Es ist nun mal meine Bestimmung, unter die Menschen zu gehen und für eine gewisse Zeit bei ihnen zu verweilen. Aber wenn ich zu ihnen komme, schrecken sie zurück. Sie fürchten sich vor
mir und meiden mich wie die Pest.“
Die Traurigkeit schluckte schwer.
„Sie haben Sätze erfunden, mit denen sie mich bannen wollen. Sie sagen: ‚Papperlapapp, das Leben ist heiter.‘ und ihr falsches Lachen führt zu Magenkrämpfen und Atemnot. Sie sagen: ‚Gelobt sei, was hart macht.‘ und dann bekommen sie Herzschmerzen. Sie sagen: ‚Man muss sich nur zusammenreißen.‘ und sie spüren das Reißen in den Schultern und im Rücken. Sie sagen: ‚Nur Schwächlinge weinen.‘ und die aufgestauten Tränen sprengen fast ihre Köpfe. Oder aber sie betäuben sich mit Alkohol und Drogen, damit sie mich nicht fühlen müssen.“
„Oh ja“, bestätigte die alte Frau, „solche Menschen sind mir auch schon oft begegnet…“ Die Traurigkeit sank noch ein wenig mehr in sich zusammen. „Und dabei will ich den Menschen doch nur helfen. Wenn ich ganz nah bei ihnen bin, können sie sich selbst begegnen. Ich helfe ihnen, ein Nest zu bauen, um ihre Wunden zu pflegen. Wer traurig
ist hat eine besonders dünne Haut. Manches Leid bricht wieder auf wie eine schlecht verheilte Wunde und das tut sehr weh. Aber nur, wer die Trauer zulässt und all die ungeweinten Tränen weint, kann seine Wunden wirklich heilen. Doch die Menschen wollen gar nicht, dass ich ihnen dabei helfe. Stattdessen schminken sie sich ein grelles Lachen über ihre Narben. Oder sie legen sich einen dicken Panzer aus Bitterkeit zu.“
Die Traurigkeit schwieg. Ihr Weinen war erst schwach, dann stärker und schließlich ganz verzweifelt. Die kleine, alte Frau nahm die zusammengesunkene Gestalt tröstend in ihre Arme. Wie weich und sanft sie sich anfühlt, dachte sie und streichelte zärtlich das zitternde Bündel.
„Weine nur, Traurigkeit“, flüsterte sie liebevoll, „ruh dich aus, damit du wieder Kraft sammeln kannst. Du sollst von nun an nicht mehr alleine wandern. Ich werde dich begleiten, damit die Mutlosigkeit nicht noch mehr Macht gewinnt.“
Die Traurigkeit hörte auf zu weinen. Sie richtete sich auf und betrachtete erstaunt ihre neue Gefährtin:
„Aber…, aber – wer bist eigentlich du?“
„Ich?“ sagte die kleine, alte Frau schmunzelnd. „Ich bin die Hoffnung.“

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