Angst in den Körper zu gehen
Die Angst in den Körper zu gehen
Irgendwann kommt diese Angst. Meine Angst – mich zu spüren. Die Angst, des Unbekannten in meinem Körper. Die Angst vor Überwältigung. Mir stockt der Atem. Ich fange an, ganz flach zu atmen. Ich zieh mich zusammen. Bin in Embryonalstellung. Ich brauche Schutz. Ich brauche viel Schutz. Ich brauche viel Schutz, mich darauf einzulassen, in meinen Körper zu gehen. Hierzu habe ich mit Unterstützung eine Strategie entwickelt:
Zunächst habe ich einen Schutzraum um mich herum aufgebaut. Diesen bin ich mit meiner Handfläche abgegangen. In diesem Schutzraum befinde ich mich bzw. mein Körper. Die Grenzen meines Schutzraumes gehen über meine Körpergrenzen hinaus. So wie früher einmal, als das Ereignis zu stark und zu schnell für mich war und ich meinen Körper verlassen habe. Ich in die Weite und Stille gegangen bin, wo mich niemand mehr erreichen konnte. Hieran erinnere ich mich wieder. Man nennt das Dissoziation – aus dem eigenen Körper heraus zu treten.
In diesem neu geschaffenen Schutzraum fühle ich mich sicher. Die Begrenzung nach Aussen ist klar, meine Körpergrenzen kann ich aktuell nicht spüren. Es ist dunkel in meinem Schutzraum, aber sicher. Ich fange an, etwas zu entspannen. Wenn ich in diesem Schutzraum an meinen Körper denke, kommt sofort die Angst wieder hoch. Etwas überwältigendes könnte mich ‚überrollen’ – so wie schon einmal in meinem Leben. Der Körper schützt uns davor, in dem er dissoziiert, praktisch aus sich heraus tritt. Diese überlebenswichtige Strategie zeigt sich heute als Erwachsene immer noch. Die Gefahr war einmal real, heute allerdings dürfen wir neue Wege damit finden, wenn wir im Außen, häufig in Beziehungen, in unseren Themen getriggert werden.
Ich versuche, den Zugang über mein Herz zu finden. Am Rande des Schutzraums stelle ich mir mein Herz vor als Eingang bzw. Kanal in meinem Körper. Rote Farbe verströmt sich in meinem ganzen Körper und ich fühle mich sicher und zu Hause. Es steigt eine Energie aus dem Wurzelchakra in mir auf und breitet sich über alle weiteren Chakren nach oben hin aus. Jetzt kann ich die Grenzen – meine Körpergrenzen langsam wahrnehmen. Jetzt bin ich in meinem Körper angekommen – ohne Angst – und es fühlt sich so an, als ob die Sonne scheint. Ich spüre mein inneres in den Körpergrenzen, fühle mich sicher und kann ihn gesamthaft wahrnehmen oder auch einzelne Segmente. Wenn ich in mein Herz spüre, nehme ich Liebe und Mitgefühl wahr. Liebe für mich und Mitgefühl für vergangene Zeiten. Aber auch für die heutige Angst.
Ich bin freudig und glücklich und spüre gleichzeitig, dass mein Herz schmerzt. Ein sehr alter und tiefer, lang festgehaltener Schmerz. Um nicht diesem überwältigenden Gefühl zu verfallen, nehme ich die Empfindungen in meinem Körper als ‚sowohl… als auch…‘ wahr: mein Herz schmerzt und gleichzeitig erlebe ich Freude und Glück, Liebe und Mitgefühl. Wenn beides da ist, da sein kann und da sein darf, spüre ich eine Erleichterung in mir. Ich kann entspannen und loslassen. Einfach damit sein. Es kommt der Satz: Von der weiten Stille und dem Friedvollen aus den Herzschmerz umhüllen und in die Weite mitnehmen lassen…
Diese Phasen habe ich mehrmals geübt, um nicht wieder in die Ohnmacht und Hilflosigkeit zu gelangen. Ich habe mir genau die ‚Grenzübergänge‘ angeschaut, also vom energetischen Schutzraum zu den physischen Körpergrenzen – sehr achtsam und aus der Entschleunigung heraus. Denn Schnelligkeit lässt uns diese wichtigen Zwischenräume nicht spüren. Keine Zeit führt zum übergehen wesentlicher Momente und heutzutage habe ich Zeit, nehme ich mir die Zeit. Früher einmal war das vielleicht nicht möglich, heute entscheide ich aus der Erwachsenen heraus.
Durch diese wiedererlangte Handlungsfähigkeit – die gemachte Erfahrung, dass ich heute und im Hier & Jetzt entscheiden kann, fühle ich mich nicht mehr im Kind, Ich werde wieder zur Schöpferin meines Lebens.
In diesem Zusammenhang kommt mir auch immer wieder der Satz: atme das Leben. Da kommt wohl auch die Bezeichnung aus der Cranio-Sacralen-Therapie her: Der Atem des Lebens. Wenn wir nicht atmen, stecken wir fest. Wir stecken in alten Energien fest und die Gefahr, dass wir die Schleifen der Ereignisse erneut durchlaufen, ist sehr hoch. Wenn ich atme, und zwar bewusst, kann ich die Handlungsfähigkeit, meine Handlungsfähigkeit wieder erlangen. Wenn der Atem stockt, flach ist oder gar komplett angehalten wird, komme ich schnell in Beziehung alter Erlebnisse. Dies ist nicht notwendig und auch nicht zielführend. Es ist viel sanfter, präsent in unserem Körper zu bleiben und damit noch festgehaltenes wieder frei werden zu lassen – zu entlassen. Sanft aber kraftvoll ist hier der Weg zu unserem Selbst. Es muss nicht aus der Katharsis oder einer hohen Anspannung oder Sympathikusaktivierung heraus sein. Das ist sogar schädlich bzw. kann schädlich sein. Viel mehr aus der Kraft des Vagus-Nervs heraus (nach Stanley Rosenberg auch Selbst-Heilungs-Nerv), aus der Entspannung heraus bei gleichzeitiger Präsenz.
Mit sanften Grüßen
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Wunderschön geschrieben. Selbst nur beim Durchlesen kam schon ein tiefer Aufatmer. Der Selbst-Heilungs-Nerv sagt kurz Hallo und ich Dankeschön.
Liebe Annette,
wie wunderbar, wenn wir aufatmen können und unser Selbstheilungsnerv berührt wird durch Worte, die so viel Schwingung in sich tragen.
Ganz herzlichen Dank!
Marion
Liebe Marion,
heute habe ich mir ein Beispiel an dir genommen. Seit langer Zeit habe ich“ ein Symptom im Nacken“ (Hört sich für mich an, wie der Titel eines Gruselromans 😉
Ich möchte heute mutig sein und versuchen, in meinen Körper zu spüren. Mein „noch Normal“ ist seit langer Zeit, vor diesem mir sehr unangenehmen Körpersymptom geflohen. Es ist gefühlt für mich nicht aushaltbar. Weglaufen, ablenken, klein reden, ignorieren, unzufrieden und frustriert sein – es hat nichts geholfen.
In meinem Nacken – da wo der Schädel mit dem Hals verbunden ist, spüre ich einen Druck. In meinem Hinterkopf ist eine Mischung aus Druck und Schwindel, wie wabernder zäher schleimiger dunkelgrauer Nebel. Wirklich passende Worte finde ich nicht. Er macht es mir schwer, mich zu konzentrieren. Ich gehe zum Kühlschrank und weiß dort nicht mehr, was ich rausnehmen wollte … Oh als wie unerträglich ich diesen Zustand empfinde.
Nur diese Worte „wabernder dunkelgrauer Nebel“ – lässt mich aufhören zu atmen.
Was verbirgt sich hinter dieser Körperempfindung? Ist es Angst? Ich habe große Schwierigkeiten, Angst zu fühlen. Ich wollte jahrelang nicht in meinen Körper spüren, hab ihn auch nicht gespürt und dachte, es sei normal. Denken denken denken – gut funktionieren, dazu stets lächeln – so habe ich es im Leben gelernt, das war mein Versuch, Sicherheit zu erschaffen. So mochten mich meine Eltern.
Ja. Ich habe Körpersymptome – klar. Also stelle ich mich heute diesem Symptom und mir heute die Frage:
„Welche Angst steckt dahinter“?
In meiner Hängematte fühle ich mich wohl. Ich mache es mir so gemütlich wie möglich, kuschel mich ein, habe ein Gefühl der Geborgenheit, mache ein paar Entspannungsübungen. Ich spüre den Druck – ich atme wenig, bewege ganz langsam meine Zehen und atme auf. Nochmal – oh oh oh, ach nein. Lieber doch nicht hier spüren.
Ich setze mich gemütlich hin, mein Diffusor läuft, ein heißes Getränk steht neben mir – ich mache Ehrliches Mitteilen mit mir. Ich notiere nur – mein Kopf denkt, dass – ich spüre – ich fühle … ah ja, so nähere ich mich dem Thema, spüre Anspannung in Zunge und Kiefer, im Körper, Kloß im Hals, Übelkeit, den Druck, Zittern, auch Zähneklappern. Ab und zu fühle ich Traurigkeit, wenn mein Kopf mal wieder etwas nicht so Freundliches denkt.
Welche Angst steckt eigentlich dahinter?
Ich schreibe nach entspannenden Atemübungen weiter. Angst vor dem, was kommt, wenn ich mich nicht mehr ablenke. Angst in Zustände zu geraten, die ich allein nicht haben möchte, die mich überfordern, die ich nicht aushalten kann.
Angst, dass Druck und Nebel mehr werden, wenn ich beides da sein lasse, dass alles wieder so anstrengend wird. Dass ich mich wieder so anstrengen muss wie früher, wieder nur noch funktioniere, nichts Schönes fühle, damit allein bin und kämpfe oder dass jemand (oder ich) es bemerkt. Es sollte ja auch niemand bemerken.
Ich habe Angst, dass mehr Erinnerungen kommen, dass ich spüre und fühle, wie schlimm es wirklich war.
– Wie schlimm der Schmerz nach der OP war.
– Wie kraftraubend und verunsichernd der Zustand die Jahre danach mit den Tabletten war – gedimmt und noch mehr anstrengen, um zu funktionieren und gut gelaunt zu wirken.
– Zu bemerken, wie verunsichernd zwei medizinische Folgen waren. Bloß keine Müdigkeit spüren, es könnte ein Hinweis auf ein erneutes Auftreten sein. Bloß kein Kribbeln im Unterleib zulassen, es könnte ebenfalls ein Hinweis sein.
Vielleicht ist es die Angst, dass mein Leben nie leicht, schön und sicher sein wird. Vielleicht die Angst, abgelehnt zu werden, wenn ich wirklich ehrlich mitteile, wenn andere wahrnehmen und sehen, wie ich fühle. Nein die Vorstellung ist nicht gut. Vielleicht die Angst, die Kontrolle zu verlieren, ungebremst vor anderen zu fühlen und zu weinen, zu schluchzen und nicht aufhören zu können.
Noch ist die Angst zu groß, Worte zu hören, wie „Ist doch ewig her, hör doch mal auf mit dieser Leier, nicht schon wieder, dass will doch keiner hören, gibts nichts anderes bei dir?“
Zu groß die Angst, überfordernd für andere zu sein.
Was würde die Liebe tun?
Sofort laufen Tränen, angenehme Tränen. Die Liebe würde ganz sanft meinen Nacken berühren, ihn zart streicheln, es dürften Tränen rollen. Sie hätte Mitgefühl mit mir, sie würde mich in den Arm nehmen und ich könnte es bei ihr zulassen und weinen – ja, was für eine riesengroße Sehnsucht ich da in mir wahrnehme. Ich atme tief und Tränen rollen über mein Gesicht. Ich dürfte mit meinen Gefühlen, mit meinen Tränen da sein. Ich wäre nicht allein und würde trotzdem geliebt.
Ich bin sowohl stolz darauf, mir Zeit genommen und Mut gehabt zu haben, in das Symptom zu spüren – als auch voller Zweifel, ob das das ein zielführender Weg ist.
Ich bin sowohl sanft berührt von dem, was sich am Ende eröffnet hat, als auch beschämt es hier zu teilen.
Ich bin sowohl froh, dass eine Menge Worte auf meinem Papier gelandet sind, Gefühle und Empfindungen sich zeigten, als auch traurig, nicht das Gefühl zu haben, dass das helfen wird.
Ich habe sowohl das Gefühl mich mitteilen zu wollen als auch Bedenken, ob es nicht viel zu viel ist und ob es irgendjemanden interessiert.
Ich bin sowohl voller Zweifel, Bedenken und Unsicherheiten, als auch sicher, dass es ein wichtiges Übungsfeld ist und für mich ein weiterer mutiger Schritt – also schicke ich alles ab!
Liebe Annette,
danke für deine mutigen Zeilen. Ich kann dieses ‚hin- und hergerissen‘ sein so gut nachempfinden. Für mich ist es wichtig, meine Erkenntnisse zu teilen. Mich mit mir zu zeigen, denn jeder Schritt dorthin ist ein Schritt zu mir.
Ich finde es sehr mutig, wie du heute mit alledem da warst. Unsere Angst ist oft so groß und auch unbekannt, denn auch ich habe immer noch Schwierigkeiten, meine Ängste z. T. zu spüren. Oft übergehe ich sie und bemerke es nicht einmal. Wie wertvoll, sie ‚zu fassen‘ zu bekommen und zu erkennen, dass nicht nur die Angst in uns ist. Und wenn wir die Angst spüren, darf sie mit der Zeit kleiner werden – denn es ist ja vorbei. Heute ist es nicht mehr überlebenswichtig, sollten wir andere überfordern oder wenn sie unser Schicksal nicht interessiert. Unser Leben hängt heute nicht mehr davon ab – früher schon.
Ich finde deine Frage wunderschön: Was würde die Liebe tun? Denn Liebe ist die Grundfrequenz in uns, auch wenn wir sie oft nicht sehen oder spüren können.
Ich danke dir für deinen Mut und deine Offenheit, die berührt.
Alle Liebe auf deinem Weg wünsche ich dir!
Herzlichst,
Marion
Die Angst in den Körper zu gehen, kenne ich seit Jahrzehnten. Sie begleitet mich noch immer. Doch mittlerweile mache ich immer mehr Erfahrungen, die mir langsam aber sicher Mut geben.
So auch heute:
Ich komme aus dem Garten. Vor meiner Zeit in den Bergen habe ich noch meine Babypflänzchen in die Erde gebracht. Hoch runter – hoch runter. Kopfüber buddeln. Eigentlich kein Problem für mich. Wenn da nicht der Schwindel wäre.
Aus dem Augenwinkel entdecke ich ein Hausrotschwänzchen, das Futter für seine Kleinen sammelt, die ich überall rufen höre. Als ich mich aufrichte, um es zu beobachten, dreht es sich kräftig in meinem Kopf, ich muss mich am Spaten fest halten und das Bild verschwimmt vor meinen Augen, bis es ruhiger wird und meine Sicht sich wieder klärt. Fast finde ich es noch interessant zu bemerken, wie Schwindel und Sehen einander beeinflussen.
Oben in der Wohnung angekommen, verwöhne ich mich erstmal mit einer Kakaopause.
Doch die Nebelwolke in meinem Kopf wartet nur auf mein gemütliches Hinsetzen, auf ruhige Momente.
Puh – da ist die Schwindelwolke. Heute glaube ich, es nicht ertragen zu können, es ist mir zu stark. Ich glaube, mir diesen Schwindel heute nicht anschauen zu können.
Ich spüre den rauen warmen Ton meiner Tasse. Es fühlt sich so gut an. Dieses Empfinden unter meinen Fingerspitzen mag ich so sehr.
Und wieder nehme ich den Schwindel wahr. Tränen laufen mein Gesicht herunter, der Herzschlag steigt, Vibrieren im Körper setzt ein. Ich nehme Angst in meinem Körper wahr.
Der Geruch des Kakaos holt mich wieder ein, beschert mir ein Aufatmen, meine Füße entspannen sich, die Klänge der Heilungsmusik gelangen wieder an meine Ohren.
Dieses Pendeln geschieht mehrere Male.
Wieder gehe ich zurück zur grauen zähen Wolke, trotzdem kommt ein Gähnen. Beides ist da. Sowohl die Wolke, als auch Entspannung. Ich höre die Klänge der Musik, bemerke den Schwindel wieder, meine Stirn spannt sich an, ich schließe die Augen und lausche den Klängen.
Wie wunderschön die Wirkung der Musik auf mich ist, wie angenehm die warme Tasse in meiner Hand, wie verlockend der Kakao riecht und hmm, wie gut er im Mund schmeckt.
Dieses Erleben macht mir Mut. Es gibt mir das Gefühl, etwas gelernt zu haben, auf einem guten Weg zu sein, mir selber beistehen zu können und ich empfinde so etwas wie Selbstwirksamkeit. Und das fühlt sich verflixt gut an.
Ja, Selbstwirksamkeit als Kraft unserer Selbst. Wie schön du den Weg beschreibst und auch das Pendeln, die die Angstdämonen kleiner werden lassen, übersichtlicher und geordneter. Die Angst darf langsam gehen, weil es neue, gute Erfahrungen gibt. Wie wunderbar!
Alles Liebe zur Dir!
Marion